Der Sinn des Universums (1b)

Erneut haben uns einige Kommentare zur bisherigen Erörterung des Sinns des Universums erreicht, die nicht ohne Weiteres übergangen werden können. Leser, denen die Definition von Sinn bereits klar ist, mögen ohne Umschweife auf „Der Sinn des Universums (2)“ warten. Stellvertretend für einen breiten Tenor der Fragenden soll die folgende Elektropost eines Lesers aufgeführt werden, der namentlich nicht genannt werden möchte:

Hochverehrter Herr wURST,

es zeichnet sich meiner Meinung nach ab, dass Ihre Kolumne den epochalsten erkenntnistheoretischen Fortschritt seit der KrV und SuZ hervorbringt. Sie sind offensichtlich selber transzendent, Sie müssen ein Außerirdischer sein oder von den Toten auferstanden um […]

Nun zu meiner Frage: ist Ihre bisherige Definition von „Sinn“ nicht ein wenig schmal? So ist zum Beispiel der Sinn der Handlung des Verzehrs eines Wurstbrotes, nämlich die Sättigung, definitorisch nicht abgedeckt.

Hochachtungsvoll
[Name ist der Blogadministration bekannt]

Der Kommentator hat vollkommen recht. Der Sinn einer Handlung, die nicht potentiell eine kommunikative Handlung ist, wird im Rahmen dieser Untersuchung ausgeschlossen. Ansonsten wäre der Sinn des Universums durch die mannigfaltigen Handlungen aller möglichen Geschöpfe im Universum offensichtlich.  Der Sinn des Universums wäre dann nämlich, Herberge für unzählige Teil-Sinne zu sein, die vor allem aus Stoffwechsel, Reproduktion und ähnlichen immanent sinnvollen Vorgängen besteht.

Reproduktion und Stoffwechsel können jedoch höchsten Mittel zur Erfüllung des eventuellen eigentlichen Sinnes sein. Das gilt auch für Anliegen wie das der gerechten Lebensführung und der Fülle des individuellen Lebens. Diese Dinge sind biologisch immanent sinnvoll (häufig jedenfalls), für den Sinn des Universums jedoch wahrscheinlich von nachrangiger Bedeutung.

Um also „sinnvoll“ im Sinne diese Untersuchung zu sein, muss die Bedeutung einer Handlung oder eines Produkts tendenziell unbegrenzt sein. Das heißt, es muss zumindest als Teil einer Sinnkette fungieren können. So war beispielsweise das Handeln Christis oder Mohammeds potentiell sinnvoll, da ihre Lehren weitreichende Konsequenzen für die Menschheit hatten. Die Konsequenzen könnten wiederum Teil eines Plans sein, der in seiner tendenziellen Unbegrenztheit den eigentlichen Sinn der Handlungen von Mohammed und Christus ausmachen. Wenn jedoch die Menschheit sang- und klanglos untergeht, dann hatte das Handeln der Heiligen vielleicht noch immanenten Sinn, aber keinen Sinn im Sinne dieser Untersuchung.

Es kann eingewendet werden, dass „universaler, transzendenter Sinn“ laut dieser Definition nicht möglich ist, weil jede Bedeutung durch die Begrenztheit des Universums ebenfalls begrenzt ist. Tatsächlich ist es Meinung des Blogautors, dass ein zeitlich, räumlich oder inhaltlich beschränktes Universum sinnlos ist.

Ein Universum in Nietzsches Modell wäre ein Grenzfall. Sofern die ewige Wiederkehr tatsächlich eine immer gleiche Reproduktion der Gegebenheiten mit sich bringt, wäre das Universum (in Übereinstimmung mit Nietzsches Theorie) sinnlos im Sinne dieser Untersuchung. Sofern jedoch eine inhaltliche Begrenzung nicht gegeben ist und falls die Wiederkehr nicht bedeutet, dass früheres Wissen unwiderruflich verloren ist, könnte ein Universum in Form eines endlos geflochtenen Bandes durchaus sinnvoll sein.

15 Gedanken zu „Der Sinn des Universums (1b)

  1. genova68

    Sehr schöne Serie, leider zu intellektuell für mich. Du könntest daraus ja eine Dissertation basteln. Einfach immer weiterschreiben, nach ca. zweihundert Beiträgen druckst du alles ab und gibst das Konvulst einem Gelehrten deines Vertrauens.

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  2. hanneswurst Autor

    Wenn die Serie zu intellektuell wirkt, dann habe ich Fehler gemacht, denn die Texte sind in jeder Hinsicht populärwissenschaftlich. Aber vielleicht kann ich dennoch bei Sloterdijk damit promovieren. Ca. 200 Artikel werden schon nötig sein.

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  3. nheepapara

    meine bescheidenen (an karl popper und francisco sanches orientierten) überlegungen sagen mir, dass wir über den sinn (und zweck) des universums sowenig wissen und also sagen können, wie über sinn und zweck eines grashalmes oder steines.

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    1. hanneswurst Autor

      Und mit diesen dünnen Aussagen geben Sie sich zufrieden? Dann fürwahr bedürfen Sie einer aporetischen Fragestellung nicht. Wenn Sie sich jedoch fragen, warum Sie und Popper so wenig über den Sinn des Universums wissen, dann lesen Sie bitte bei „Der Sinn des Universums (2)“ weiter.

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  4. genova68

    Sie sind nur für MICH zu intellektuell, will heißen, dass solch langen Texte zur Philosophie im Netz nur in Ausnahmefällen lese (also wenns um die Frankfurter geht). Das sind MEINE Grenzen der Konzentrationsfähigkeit. Der Finger an der Maus ist zu unruhig.

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  5. genova68

    Ja, ok, ich lese deine Reihe demnächst. Du hast dir ja auch viel Mühe gegeben, das muss belohnt werden.

    Such dir doch mal ein Forum, in dem sowas diskutiert wird, und verlinke da rein. Das kann Wunder wirken.

    mfg
    s. jobs

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    1. hanneswurst Autor

      Das käme noch in die Tüte, dass ich meine Texte in irgendwelchen halbseidenen Foren anbiedere! Ich hatte mir eher überlegt, die Öffentlichkeit komplett auszuschließen. Vielleicht auch eine automatische Löschung einzubauen, damit ich selber nicht auf die Idee komme, noch einmal darin herumzuschnüffeln.

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  6. sayadin

    Ich sehe das mit dem Universum und Gott eher so wie die Beziehung zwischen meinen Fischen und Schnecken im Aquarium und mir.
    Ich bin ausserhalb. Ich greife auch manchmal rein um Pflanzen zu wechseln und so. Meine japanische Kampffischdame beisst mich immer, wenn ich da was mache. Aber sie hat mich nie nach dem Sinn ihrer Existenz gefragt, vielleicht ist sie noch gar nicht auf die Frage gekommen. Aber wer weiß schon was Fische denken. Sie murkst alle kleinen Schnecken die sie erwischt ab. So habe ich ein ökologisches Gleichgewicht und spare Futter.
    Aber im grossen und ganzen ist das ein grausames Spiel.
    Aber welchen Sinn das ganze hat. Vielleicht erfahren wir es, wenn wir tot sind?

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    1. hanneswurst Autor

      Eine wirklich schöne Geschichte, die natürlich an Douglas Adams erinnert, da Sie nicht sicher sein können, ob Sie in Wirklichkeit das Haustier der japanischen Kampffischdame (schön, dass Sie nachgeschaut haben) sind. Das würde ja auch semantisch besser passen, als wenn ein Aquarienfisch als „Haustier“ bezeichnet würde. Eher sind doch wohl Menschen Haustiere, einige sogar Pantoffeltiere (ich zum Beispiel verschleiße pro Jahr ein Paar Pantoffeln).

      Das Alles tut der eventuellen Sinnhaftigkeit der gegenseitigen Darbietung jedoch keinen Schaden an. Ich hoffe dennoch nicht, dass Gott mich durch eine Glasscheibe betrachtet. Da möchte ich doch lieber auf die Existenz Gottes freiwillig verzichten, selbst wenn ich die Möglichkeit hätte, ihm in den Finger zu beißen.

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  7. sayadin

    Na ja, sie ist eine Mörderin. Sie hat schon zwei Guppis und zwei Männchen umgebracht. Und bei den Dalmatinerfischen versucht sie es. Aber ob ich ihr oder sie mein Haustier ist, hab ich noch nicht rausbekommen. Ich könnte ihr das Wasser ablassen, ich hab die Macht dazu. Aber sie schwimmt auch gern in meine Hand. Ich kann ihr nicht so richtig böse sein.

    Aber das mit dem Universum, vielleicht ist es so wie beim Call of Duty (Ballerspiel) 1. Regel, Lass dich nicht erschiessen, 2. Kill so viele Gegner wie möglich und 3. Erober die Fahnen.
    Wir bekommen bestimmte Vorgaben, die sind bei jedem Wesen verschieden und wir sollen sie so gut wie möglich lösen.

    Antwort
    1. hanneswurst Autor

      Ich möchte Ihnen empfehlen, die kommenden Artikel zu „Der Sinn des Universums“ zu lesen. Sie werden dann erfahren, dass ein „Call of Duty“ Universum automatisch sCHROTT ist, weil der „Call of Duty“ Sinn begrenzt ist. Gäbe es tatsächlich bestimmte Vorgaben, dann wäre zumindest der Mensch, der erfährt dass er diese Vorgaben nicht oder nicht mehr erfüllen kann, enttäuscht. Gerade die Offenheit und das Nicht-Vorhandensein eines „Call of Duty“ ist es, die jeder Lebenslage die Möglichkeit zur Katharsis lässt.

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  8. sayadin

    Call of Duty ist nur ein Beispiel für ein Universum. Aber dieses Universum gefällt mir besser als das reale. Wenn man sich in diesem Universum die Eier wegschiessen lässt ist das eher unangenehm. Im Call of Duty stört es mich nicht.
    Und jedes Universum hat Regeln und Vorgaben nach denen man sich zu richten hat. Das reale Universum verwirrt duch seine Vielfältigkeit. Da sind Universen wie World of Warkraft oder Counterstrike oder Call of Duty als Beispiele geeignet weil sie begrenzt sind und weil sie nicht von einem Gott sondern von uns Menschen erschaffen wurden.

    Katharsis? Wovon soll ich mich reinigen?
    Die reale Welt finde ich schon sehr verwirrend. Wir sind alle kleine, arme Teufel die an ein Rad gebunden sind das durch unsere Leidenschaften, Ängste, Wünsche und andere Einflüsse jeden Tag ein Stückchen weiter gedreht wird, bis es bricht.

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